Rom-Besuch mit Rückenwind für die katholische Erwachsenenbildung
Erwachsenenbildung ist keine kirchliche Nebenbei-Tätigkeit. Es geht um die Gestaltung unserer Gesellschaft, und dafür braucht es Wissen und Kompetenzen. Bischof Krautwaschl erfreut über Offenheit und Interesse des Dikasteriums an der katholischen Erwachsenenbildung.
„Katholische Erwachsenenbildung ist weder Katechese noch Evangelisierung“, betonte Melchor Sánchez de Toca, Untersekretär im Dikasterium für die Kultur und Bildung im Rahmen einer Begegnung mit Bischof Wilhelm Krautwaschl und Führungskräften der katholischen Erwachsenenbildung in Österreich. Vielmehr sei die nonformale Bildungsarbeit mit erwachsenen Menschen ein reflexiver Raum im Sinne der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes. Es gehe darum, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und diese im Lichte des Evangeliums zu deuten. Es gelte, mit gut gemachter Erwachsenenbildung der Hoffnung einen breiten Raum zu geben und der um sich greifenden Angst entgegen zu wirken. Die Kirche sei kein kleines gallisches Dorf, das es vor dem Bösen zu schützen gelte und das unter sich bleiben wolle. Vielmehr gehe es darum, diese Welt mitzugestalten, und dafür brauche es Wissen und Kompetenzen, betonte Sánchez de Toca im Gespräch mit den Vertreter*innen des Forums Katholischer Erwachsenenbildung in Österreich. Der Vorstand des Forums und Verantwortungsträger*innen der Erwachsenenbildung aus den Diözesen tauschten sich im Rahmen einer Studienreise in Rom mit Bischof Wilhelm Krautwaschl, in der Bischofskonferenz für Erwachsenenbildung zuständig, über aktuelle Themen, Trends und Herausforderungen in der Bildungsarbeit mit Erwachsenen aus. Auf dem Programm standen auch eine Begegnung mit Papst Franziskus, Gespräche mit dem Rektor des Germanikums, Gernot Wisser, mit dem Rektor der Anima, Michael Max, sowie ein Zusammentreffen mit der Gemeinschaft Sant´Egidio.
Beeindruckt von der Vitalität kirchlicher Erwachsenenbildung
Der Vertreter des Dikasteriums zeigte sich beeindruckt von den vielfältigen Angeboten der katholischen Erwachsenenbildung in Österreich und von den Hundertausenden Teilnehmer*innen bei mehr als 20.000 Kursen, Seminaren und Vorträgen im Jahr 2022. Das sei keine Nebenbei-Tätigkeit von Kirche. Gerade hier werde eine Kultur der Hoffnung geprägt. Insofern mache die Erwachsenenbildung genau das, was auch Papst Franziskus immer wieder betone, nämlich eine Kirche für die Welt von heute zu sein. Es gelte, etwa mit Angeboten politischer Bildung, die Gesellschaft zu gestalten und zum Besseren zu entwickeln. Er ermutigte Bischof Wilhelm Krautwaschl und die Vertreter*innen der Diözesen diese Art der Bildungsarbeit in andere Länder – vor allem des Südens und nach Osteuropa zu bringen. Hier brauche es gezielte und gebündelte Anstrengungen u.a. im Rahmen des Europäischen Verbandes der Katholischen Erwachsenenbildung (FEECA), deren Präsidentschaft derzeit von Hubert Petrasch, Leiter der Erwachsenenbildung der Erzdiözese Wien, wahrgenommen wird.
Krautwaschl: Unterschiedliche Positionen als Bereicherung
Bischof Wilhelm Krautwaschl zeigte sich erfreut über die Offenheit und das Interesse an der katholischen Erwachsenenbildung durch das Dikasterium. Katechese und Evangelisierung seien wichtige Themen, aber Bildungsarbeit mit erwachsenen Menschen brauche einen offenen Zugang, und es gelte letztlich auch zu akzeptieren, dass es unterschiedliche Positionen gebe. Das sei eine Bereicherung für die Gesellschaft und auch für die Kirche. Eine Kirche, die nicht diskutiert und um Positionen ringt, würde sich nicht weiterentwickeln und letztlich inhaltlich ausdünnen. Christian Kopf, Leiter des Bildungshauses Batschuns in Vorarlberg und Vorsitzender der Forums, verwies auf die breite Palette der Angebote kirchlicher Erwachsenenbildung von Elternbildung, sozialer Bildung, Senior*innenbildung, Bildungsangeboten für Frauen, theologisch-spiritueller Bildung und politischer Bildungsangebote - nicht im Sinne von Parteipolitik – sondern, wie es auch Sánchez de Toca nannte – im Sinne der gesellschaftlichen Mitgestaltung, insbesondere mit Blick auf Krisensymptome einer sich immer komplexer erweisenden Welt. „Es ist uns ein zentrales Anliegen, Fragen der Armut, des Fremdseins von Menschen aber auch der Orientierungslosigkeit im Blick auf die zunehmenden Herausforderungen der Digitalisierung zu thematisieren“, betonte Christian Kopf im Dikasterium im Vatikan. Und Kopf weiter: „Wir machen das in unseren mehr als 70 Mitgliedseinrichtungen jeden Tag und bis in die kleinsten Zellen einer Pfarrgemeinde oder in den Bildungshäusern und Bildungszentren unseres Verbandes. Dazu braucht es auch Mittel der Diözesen und vor allem die klare Haltung der Diözesanleitungen, dass Erwachsenenbildung eben, wie es auch Melchor Sánchez de Toca nannte, keine kirchliche Nebenbei-Tätigkeit ist.“
Globaler Bildungspakt als Programm
Das Christentum war von Beginn an eine Bildungsreligion, betonte der Forums-Vorsitzende im Nachklang zum Gespräch mit dem Vertreter des Dikasteriums. Beeindruckt zeigte sich Christian Kopf auch von der persönlichen Begegnung mit Papst Franziskus im Rahmen der Generalaudienz auf dem Petersplatz. „Franziskus ist ein Hoffnungsträger weit über den kirchlichen Raum hinaus und somit ein Vorbild für die katholische Erwachsenenbildung. Das wird in der direkten Begegnung mit ihm spürbar und auch in der Art, wie präzise er seine Gedanken formuliert“, so Kopf. Für die Arbeit der katholischen Erwachsenenbildung haben uns die Gespräche in Rom Rückenwind gegeben. Kopf nennt in diesem Zusammenhang auch den von Papst Franziskus initiierten „Globalen Bildungspakt“ als Programm der katholischen Erwachsenenbildung. Es geht darum, all unsere Bemühungen in einem breiten Bildungsbündnis zu vereinen. Das bestätigt auch Hubert Petrasch, Präsident des Verbandes der katholischen Erwachsenenbildung in Europa (FEECA). Die FEECA feiert im Rahmen eines Festaktes im kommenden Herbst in Wien ihr 60-jähriges Bestehen. Es sei erklärtes Ziel, neue Mitglieder zu gewinnen und den Bildungsdialog auch auf europäischer Ebene zu führen und zu vertiefen. Dazu habe ihn auch die vor kurzem in Rumänien stattgefundene Jahrestagung der FEECA motiviert. „Es gibt ungemein engagierte Bildungsprojekte in Österreich und bei unseren Partnern in ganz Europa. Hier werden die Fragen nach einem Europa der Hoffnung für möglichst viele Menschen gestellt, und mit innovativen Bildungsprojekten werden auch beispielhaft Antworten gegeben“, so der FEECA-Präsident.
Eindrücke der Studienreise nach Rom im Mai 2023: